Die Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl hatte unter dem Motto „100 Jahre Frauenwahlrecht. Ziel erreicht und weiter?“ zu einem Frauenfrühstück mit der Bundesjustizministerin Katarina Barley geladen. 100 Frauen folgten der Einladung für einen Sonntagmorgen im Bürgerhaus in Ober-Mockstadt. Neben Katarina Barley hielt auch Cäcilia Reichert-Dietzel als örtliche Bürgermeisterin ein Grußwort. Die musikalische Begleitung des Frühstücks übernahm die Jugendabteilung des Fanfaren- und Spielmannszuges aus Altenstadt unter der Leitung von Rebecca Horn.
In ihrer Begrüßungsrede machte Gnadl deutlich, dass es unter den CDU-Landesregierungen in den leztten 19 Jahren Hessen beim Thema Frauenpolitik einfach nicht voranginge. „Immer noch gibt es Ministerien, die in der die Führungsebene frauenfreie Zonen sind! Weder im Innenministerium noch im Wirtschaftsministerium oder im Finanzministerium gibt es auch nur eine weibliche Abteilungsleiterin“, das sagt mehr über die Auffassung dieser Minister über Gleichberechtigung als jede Rede.
Auch bei der landespolitischen Verantwortung Frauen vor Gewalt zu schützen fand Gnadl deutliche Worte: „Frauen sind häufig Opfer von körperlicher, aber auch psychischer Gewalt. Wir sind überzeugt, dass die Situation der Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen und -notrufen in Hessen personell und finanziell verbessert werden muss. Es ist für uns unverständlich, warum es nicht überall in Hessen die Soforthilfe nach Vergewaltigung gibt. Die von den Frauennotrufen initiierten Programme in einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten müssen durch Unterstützung des Landes flächendeckend ausgeweitet werden. Es kann doch nicht sein, dass es einen Unterschied in der Soforthilfe und der Beweissicherung nach Vergewaltigung gibt.“
In ihrem persönlichen Grußwort ging Cäcilia Reichert-Dietzel auf ihre Anfänge als Bürgermeisterin in Ranstadt ein: „Früher dachte und sagte ich oft, egal ob Mann oder Frau, im Amt zählt nur die Leistung. Doch heute bin ich um viele Erfahrungen reicher und musste feststellen, als Frau muss man auch heute noch härter arbeiten und besser sein als die männlichen Kollegen, um sich den Respekt zu erkämpfen!“
Katarina Barley spannte in ihrer Festrede einen großen Bogen von der Erkämpfung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren bis hin zur Zusammensetzung des Deutschen Bundestages heutzutage. Schockiert zeigte sich Barley dabei über die Entwicklung des Frauenanteils im Deutschen Bundestag: „Ich hätte das nie für möglich gehalten, aber bei der letzten Wahl musste ich schmerzlich erkennen, dass es bei der Frauenbewegung nicht nur nach vorne geht. 31,8% Frauenanteil im Deutschen Bundestag sind alarmierend und bedeuten einen Rückgang um fast 5%. Dieser Rückgang ist auf den Einzug der FDP und AfD, aber auch den geringen Frauenanteil in der Fraktion der CDU/CSU zurückzuführen. Das darf nicht sein und kann von uns nicht einfach so hingenommen werden. Gerade deshalb müssen Frauen sich nochmal mehr engagieren und für ihre Interessen gemeinsam streiten! Klar ist jedenfalls, wenn man echte Gleichberechtigung will, dann muss man SPD wählen!“
Aber in der freien Wirtschaft sei die Situation nicht weniger alarmierend. Das zeige beispielhaft eine Studie, die zeigen konnte, dass in deutschen Aufsichtsräten und Vorständen mehr Männer mit dem Vornamen Thomas oder Michael vorzufinden sind als Frauen. Das brachte Katarina Barley dazu nicht ohne ironischen Unterton die Frage aufzuwerfen: „Ob sich Männer wohl fühlen würden, dass sie einen Vorstandsplatz nur haben, weil sie ein Mann sind. Wir als SPD jedenfalls werden nicht lockerlassen und durch gesetzliche Regelungen die Gleichberechtigung stärken!“ Dabei wies sie auch auf die Erfolge der SPD auf Bundesebene, wie das Lohntransparenzgesetz, den gesetzlichen Mindestlohn und die Frauenquote für die Aufsichtsräte der DAX-Konzerne hin, von denen Frauen profitieren.
„Wir befinden uns in Zeiten, in denen das Engagement für Demokratie und Rechtsstaat immer mehr gebraucht wird.“ in der Wetterau gebe es eine starke Basis von Frauen in der Kommunalpolitik, zeigte sich die Bundesjustizministerin Barley von Lisa Gnadl und den vielen anderen starken Frauen in der Wetterauer SPD begeistert. Alleine beim Frauenfrühstück konnte Gnadl zu Beginn die Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch, die Bundestagsabgeordnete Bettina Müller, die beiden Bürgermeisterinnen Cäcilia Reichert-Dietzel und Ulrike Pfeiffer-Pantring, die Landtagskandidatin Mirjam Fuhrmann sowie viele weitere engagierte Frauen –ob im Seniorenbeirat, bei der FAB, dem Frauennotruf, der Behindertenhilfe oder dem Frauenzentrum- begrüßen. Darauf aufbauend richtete sie einen Appell an alle Frauen im Saal: „Selbst, wenn ihr die Wahl in der Politik oder Auseinandersetzung im Berufsleben mal nicht gewinnt, gewinnt ihr für euch und ihr seid ein Vorbild für andere Frauen und Mädchen.“
Frauen in der Politik sollten andere Frauen ermutigen ebenfalls aktiv zu werden, um in einem solidarischen Miteinander für gemeinsame Interessen einzustehen. „Ich bin froh, dass es hier in der Wetterau so engagierte und motivierte Frauen gibt, die die Politik vor Ort maßgeblich mitgestalten“, so Barley.
Nach dem offiziellen Teil nutzen viele Frauen die Möglichkeit mit den anwesenden Politikerinnen ins Gespräch zu kommen. Und viele ließen es sich nicht nehmen, gemeinsam mit Lisa Gnadl und Katarina Barley Erinnerungsfotos zu schießen und bei einer Tasse Kaffee weiter zu diskutieren.