Bündnis für Ausbildung in Hessen floppt – Landesregierung kürzt Mittel für die duale Ausbildung um ein Drittel

Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag hat Auskunft von Seiten der Landesregierung im Rahmen einer Großen Anfrage (Drucksache 19/5037) über Ziele, Kosten und Effizienz von Ausgaben für Ausbildungsförderung und Ausbildung aus dem hessischen Landeshaushalt verlangt. Die Beantwortung der Großen Anfrage nahm die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für den Bereich Ausbildung, Lisa Gnadl, zum Anlass, der schwarz-grünen Landesregierung „peinliches Versagen im Bereich der Ausbildungsförderung“ zu attestieren. Gnadl sagte dazu am Freitag in Wiesbaden: „Das Bündnis für Ausbildung, das die schwarz-grüne Landesregierung medienwirksam in Szene gesetzt hat, steht vor dem Scheitern. Weder hat die Wirtschaft ihr Versprechen, mehr Ausbildungsplätze bereit zu stellen eingehalten noch ist erkennbar, mit welchem Plan und welchen Maßnahmen die Landesregierung die Berufsschulen stärken und die Übergangssysteme zielorientierter ausrichten will.“

In Hessen habe es nach den Statistiken der Arbeitsagentur bis zum Juni seit Beginn des Berichtsjahres – zum 1.September des Vorjahres – nur einen mageren Zuwachs von 0,1 Prozent an gemeldeten Berufsausbildungsstellen gegeben. „Bayern kann ein Plus von 2,4 Prozent verzeichnen, im Saarland gibt es sogar 3,2 Prozent mehr Ausbildungsstellen“, so Gnadl. Der westdeutsche Schnitt liege bei 0,5 Prozent. Noch nicht einmal dieser magere Wert werde in Hessen erreicht.

Gleichzeitig blieben viele Bewerberinnen und Bewerber unversorgt. „Wer geglaubt hat, der demografische Wandel werde das Problem lösen, sieht sich getäuscht. Zwar geht die Zahl der Unversorgten zurück, es sind aber immer noch 14.882 junge Menschen in Hessen, die sich um eine Ausbildungsstelle beworben haben und keine bekommen. In diesem Zusammenhang ist es ein Skandal, wenn die Landesregierung die Ausbildung in den Ministerien um ein Drittel kürzt. Wer davon spricht, dass Ausbildung eine gute Grundlage für das Leben ist, muss auch einen eigenen Beitrag dazu leisten, damit junge Menschen eine Ausbildung machen können. Daran messen wir die Landesregierung und wir stellen fest, dass ihre Leistung ungenügend ist“, so die Ausbildungsexpertin. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den Landesministerien sei nach Angaben der Landesregierung von 806 im Jahr 2011 auf 531 im Jahr 2015 gesunken.

Gnadl berichtete, dass die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage ihrer Fraktion in Sachen Ausbildung an vielen Stellen eine konkrete Antwort schuldig bleibe oder Maßnahmen schildere, die nicht erfolgreich seien. „Auf die Frage, mit welcher Strategie das Land auf die hohen Anteile junger Menschen ohne Berufsausbildung reagieren wolle, werden die Initiative „ProAbschluss“ und der Schulversuch „QualiBack“ genannt. Beides sind Projekte, die wenig Ertrag vorzuweisen haben. In Hessen gibt es nach Angaben der Initiative „ProAbschluss“ mindestens 320.000 sozialversicherungspflichtige Berufstätige, die keinen Berufsabschluss vorweisen können. Die Initiative hat bisher 1.425 Personen beraten, davon haben bis zum April 2017 312 einen Qualifizierungsscheck bekommen, das sind noch nicht einmal 0,1 Prozent! Wenn dieses Programm so weitergehen soll, braucht man 1000 Jahre, um die Hälfte der Betroffenen zu qualifizieren. „QualiBack“ ist auch nicht erfolgreicher. In den beiden Pilotregionen haben gerade einmal 20 Personen teilgenommen, davon haben acht die Maßnahme abgebrochen“, kritisierte Gnadl.

Die Förderprogramme des Landes für Ausbildungsmaßnahmen seien ebenfalls nicht durch große Erfolge gekennzeichnet. So sei bei den Programmen des Sozialministeriums die Zahl der nicht bestandenen Prüfungen zuzüglich der Abbruchquote höher als die Zahl der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen. „Das Wirtschaftsministerium erhebt gar keine Daten, weil dies praktisch nicht durchführbar wäre, erklärt die Landesregierung. Insgesamt haben wir den Eindruck, dass es um die Evaluierung von Programmen nicht gut bestellt ist“, sagte die SPD-Abgeordnete. Hohe Quoten von Abbrüchen und nicht bestandenen Prüfungen würden hingenommen, ohne dass man Ursachenforschung betreibe.

Bei der Reform des so genannten Übergangsbereichs beziehungsweise der schulische Qualifizierungsmaßnahmen sei die Bilanz der Landesregierung ebenfalls mager. „Im Bündnis für Ausbildung hat sich das Land dazu verpflichtet, bis zum Schuljahr 2020/2021 von den Schulentlassenen eines Jahrgangs höchstens nur noch 10.000 Personen in den so genannten Übergangsbereich einmünden zu lassen. Wir sind der Auffassung, dass diese Zahl als Ziel immer noch viel zu hoch ist. Es sind dann immerhin noch fast 20 Prozent eines Jahrgangs! Es ist bisher nicht erkennbar, wie die Übergangssysteme reformiert werden sollen. Es ist lediglich von einem Schulversuch die Rede, mit dem drei Schulformen zusammen geführt werden sollen. Weitere Maßnahmen werden nicht genannt. Das ist zu wenig, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen“, bilanzierte Gnadl. Viel zu oft würden junge Menschen nach wie vor in „Warteschleifen“ geparkt, ohne dass sich ihre Qualifikation verbessern würde. „Wenn in drei Jahren etwas erreicht sein soll, muss man jetzt die Weichen stellen“, forderte die SPD-Fachpolitikerin.

Besonders kritikwürdig sei aber der Umstand, dass es in den allgemeinbildenden Schulen an einer vernünftigen Berufs- und Studienorientierung fehle. „Dort werden die Grundlagen gelegt. Nur wenn die Schülerinnen und Schüler frühzeitig erfahren, welche Möglichkeiten ihnen offen stehen und welche Berufswege sie einschlagen können, werden wir erfolgreich sein. Hier hat die Landesregierung angekündigt, mit einer Verordnung verbindliche Ziele festzulegen und den Schulen die notwendigen Ressourcen für Berufs- und Studienorientierung zur Verfügung zu stellen. Alle allgemeinbildenden Schulen, einschließlich der Gymnasien, sollten ihr Angebot ausbauen und dafür fachkundige Lehrkräfte zur Verfügung haben. Wir stellen fest: Hessen ist von einer funktionierenden Berufs- und Studienorientierung meilenweit entfernt. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel Hamburg oder Nordrhein-Westfalen, sind sehr viel weiter“, sagte Gnadl.

Gnadl kündigte an, dass ihre Fraktion im Herbst dieses Jahres den Entwurf eines Grundsatzpapiers zu Ausbildungsfragen vorlegen werde, um diesen dann mit Zielgruppen zu diskutieren und weiterzuentwickeln. „Wir werden uns allen Fragen stellen, der Berufs- und Studienorientierung in der Schule, den Problemen der dualen Ausbildung und der Übergangssysteme, der Qualifikation von Beschäftigten ohne Ausbildung, den Programmen zur Ausbildungsförderung und dem effizienten Einsatz vorhandener Mittel. Wir sind der Auffassung, dass genügend finanzielle Mittel vorhanden sind, diese aber derzeit nicht vernünftig eingesetzt werden. Viele Maßnahmen werden nicht evaluiert und zu viele unterschiedliche Akteure arbeiten nebeneinander her. Es ist sicher kein leichtes Unterfangen, die Vielfalt der Beteiligten zu koordinieren. Derzeit passiert zu wenig bis gar nichts und das schadet den Interessen der jungen Menschen, die ohne Ausbildung ein viel höheres Risiko haben, arbeitslos zu werden. Es schadet aber auch der Wirtschaft, die zu wenige Fachkräfte hat und den Sozialversicherungssystemen, weil ihnen die zukünftigen Beitragszahler fehlen. Deshalb ist dringendes Handeln erforderlich und hier lässt die Landesregierung derzeit nicht erkennen, dass sie gewillt sei, die Probleme ernsthaft anzugehen“, so die stellvertretende Vorsitzende.