
Anlässlich der Debatte zur Großen Anfrage der SPD-Landtagsfraktion zum Thema Rechtsextremismus in Hessen hat die zuständige Fachsprecherin der SPD-Fraktion, Lisa Gnadl, die Landesregierung kritisiert und ihr Versäumnisse bei der Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremer Tendenzen in Hessen vorgeworfen. Diese Landesregierung beweist erneut, dass sie entweder nicht alles weiß oder gar nicht alles wissen will, was im rechtsextremen Spektrum in unserem Land vor sich geht. Wir hätten gerade aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre und dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie ein neues Nachdenken von der Landesregierung erwartet!, so Gnadl.
Die SPD-Fraktion hatte im Juli vergangenen Jahres die Große Anfrage, die detaillierte Fragen zur aktuellen Situation und zur Entwicklung von rechtsextremen Tendenzen und Strukturen in Hessen enthält, an die Landesregierung gerichtet. In der Beantwortung finden sich aber viele Widersprüche, an einigen Stellen fehlen Informationen komplett, so die SPD-Abgeordnete.
Dies lasse sich an mehreren Einzelpunkten zeigen: So gebe die Landesregierung an, etwa keine Erkenntnisse über den als Bombenleger bekannten Peter Naumann zu besitzen, obwohl aus öffentlich zugänglichen Quellen bekannt sei, dass der besagte Rechtsterrorist auf mehreren Veranstaltungen der NPD zugegen gewesen sei. Angaben zu rechtsextremen Musikveranstaltungen widersprächen den Angaben in Antworten auf andere parlamentarische Anfragen. Auch zu der Verbreitung von CDs und DVDs mit rechtsextremem Inhalt oder zum Waffenhandel innerhalb der rechten Szene in Hessen könne die Landesregierung keine Erkenntnisse mitteilen.
In Ihrer Rede vor dem Landtag kritisierte Gnadl aber vor allem, dass die Landesregierung Studien, die das weite Eindringen von rechtsextremen Einstellungen bis tief in die Mitte der Gesellschaft untersuchen, nicht zur Kenntnis nehmen wolle beziehungsweise sogar versuche, diese Studien in Zweifel zu ziehen. Es macht mich sprachlos, wie die Ergebnisse dieser wichtigen Studien für die Untersuchung von rechtsextremen Einstellungsmustern in unserer Gesellschaft einfach vom Tisch gewischt werden. Das erstaunliche dabei ist jedoch, dass sich landeseigene Programme gegen Rechtsextremismus, mit denen sich die Regierung so gerne schmückt, in weiten Teilen auf genau diesen Studien beruhen, so Gnadl. Nach Ansicht Gnadls versuche die Landesregierung diese Studien zu deskreditieren, weil sie sonst zugeben müssten, dass rechtsextreme Einstellungsmuster nicht allein das Problem von politischen Extremisten sind, sondern Mitten in unserer Gesellschaft vorkommen und aus ihr hervortreten. Dem müssen wir uns alle stellen.
Weil die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD versuche, das Problem rechtsextremer Einstellungen lediglich auf den Bereich neonazistischer Strukturen zu begrenzen, fielen andere Organisationen aus dem Betrachtungsfeld. Diese Landesregierung blendet Gruppen, die aus Sicht der SPD-Fraktion ganz klar rechtsextrem sind, einfach aus. Dass die Identitäre Bewegung Hessen für die Landesregierung kein Beobachtungsobjekt darstellt, ist wohl das dramatischste Versäumnis dieser Art, erläutert Gnadl. Dabei genüge ein Blick auf die Facebookseite der Identitären Bewegung, um zu erkennen, dass die dortigen Beiträge geprägt seien von Fremdenhass, Aufrufen zur Gewalt und unverblümtem Hass gegen die Demokratie. Daher werde die Identitäre Bewegung von den Verfassungsschutzämtern anderer Bundesländer als rechtsextrem eingestuft, in Bremen bezeichne man sie sogar als neonazistisch.
Zu den Entwicklungen der hessischen AfD schweige die Landesregierung: Inzwischen muss man nicht mehr vor einem Rechtsrutsch in dieser Partei warnen. Dieser Rechtsrutsch ist in vollem Gange und man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass es gerade in Hessen nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sich die AfD in eine Reihe mit NPD und Republikanern einreiht und von einer rechtspopulistischen zu einer klar rechtsextremen Partei wird, so die SPD-Abgeordnete.
Mit Sorge sieht Gnadl in der Antwort der Landesregierung zudem die Angaben zur zunehmenden Anzahl von Übergriffen auf Unterkünfte von Asylbewerbern. Es zeigt sich deutlich, dass bei Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte seit Herbst 2014 ein Anstieg zu verzeichnen ist, erläutert Gnadl. Die SPD-Abgeordnete fordert daher ein umfassendes Gesamtkonzept der Landesregierung zur Vermeidung von Konflikten vor Ort. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Kommunen unterstützen können und wie wir für die Sicherheit der Menschen, die bei uns Schutz suchen, sorgen können. Ein wichtiger Baustein ist für uns als SPD-Fraktion dabei, dass die Kommunen für die Flüchtlingsunterbringung ausreichend finanziell ausgestattet werden, so Gnadl.
Wir haben von der Landesregierung insgesamt ein neues Nachdenken erwartet und mehr Achtsamkeit hinsichtlich rechtsextremer Tendenzen erhofft. Darauf warten wir noch immer! Am Ende bleiben für uns mehr Fragen als Antworten und das ungute Gefühl, dass man in der hessischen Landesregierung immer noch nicht verstanden hat, wie groß und konkret die Gefahr durch den Rechtsextremismus ist, sagte Gnadl vor dem Landtag.