Von der Hexenverbrennung in die Römerzeit

Radlergruppe vor dem Limeswachturm

Die vierte der insgesamt fünf Vulkanradwegtouren, mit denen die Wetterauer SPD an die Einweihung des Radwegs vor zehn Jahren erinnert, führte am vergangenen Sonntag von Altenstadt nach Lindheim und von dort aus weiter nach Rommelhausen.
Rund 35 Radler waren gekommen, um bei bestem Sommerwetter mit der Landtagsabgeordneten Lisa Gnadl, die die Tour begleitete, vom Bahnhof Altenstadt aus zu einem Nachmittag aufzubrechen, in dessen Zentrum die lokale Geschichte von der Antike bis zum Ende des Mittelalters stand. Auch Limeshains Bürgermeister Adolf Ludwig, der Altenstädter Erste Beigeordnete Erwin Kötter und der Altenstädter SPD-Fraktionsvorsitzende Josef Neuberger nahmen an der Tour teil.
Über den Vulkanradweg ging es von Altenstadt zum Lindheimer Hexenturm, wo die Radfahrergruppe von Professor Alexander Demandt empfangen wurde, über dessen Grundstück sie den Hexenturm erreichten, der auch schon vor den Zeiten der Inquisition als Kerker benutzt wurde. Der Hexenturm, der seit 1994 nach seiner Instandsetzung Besuchern wieder zugänglich ist, ist neben der Lindheimer Kirche einer der sichtbarsten Überreste der Lindheimer Wasserburg, die im 13. Jahrhundert entstand. Der Historiker Demandt, der neben dem Hexenturm aufwuchs, widmet sich wie zuvor auch sein Vater, der Landeshistoriker Karl Ernst Demandt, der Aufarbeitung der Lindheimer Lokalgeschichte, in der die Hexenverfolgung mit ihrem Höhepunkt in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine besonders dunkle Epoche darstellt. Insgesamt 24 dokumentierte Opfer, 19 Frauen und 5 Männer, wurden in Lindheim im Zuge der Hexenverfolgung geköpft oder verbrannt. An sie erinnert eine Plakette mit ihren Namen im Hexenturm. Während der Hexenprozesse wurden die Opfer im Hexenturm eingekerkert. Schon einfache Verdächtigungen genügten, um in die Fänge der Hexenverfolger zu geraten, die die Beschuldigten unter massiver Folter zu Geständnissen zwangen. Unter der zweijährigen Schreckensherrschaft des Amtsmanns Geis von 1662 bis 1664 war der Blutzoll besonders hoch: Zwanzig der insgesamt 24 Opfer wurden in diesen Monaten getötet und der Besitz ihrer Familien eingezogen – woran auch das Bereicherungsinteresse der Landsherren an den Hexenprozessen deutlich wird.
Nach diesem Einblick in die „Schreckensjahre von Lindheim“ radelte die Gruppe auf dem Fahrradweg nach Hainchen, der durch das Naturschutzgebiet „Im Rußland/in der Kuhweide“ führt. Hier erinnerte die Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl an die Radfahrerdemonstrationen vor sechs Jahren, mit denen sich die Bevölkerung die Fahrradweganbindung von Limeshain nach Altenstadt erstritten hatte. „Ich habe damals an den Radwegdemos teilgenommen und es war absolut richtig, diesen Radweg zu bauen, der nicht nur bei Freizeitsportlern, sondern auch im alltäglichen Leben, etwa beim Einkaufen, für Sicherheit sorgt“, so Gnadl.
Die Tour führte weiter am jüdischen Friedhof in Hainchen vorbei bis in den Wald bei Rommelhausen, wo sich die Rekonstruktion des Limeswachturms befindet. Der Wachturm wird am 17. August um 11 Uhr offiziell eingeweiht. Die Teilnehmer der Radtour hatten aber bereits am Sonntag die Gelegenheit, das Bauwerk in Augenschein zu nehmen und sich von Stine Kockrick und Wolfgang Wefers vom Geschichts- und Kulturverein Limeshain über den Bau und die Bedeutung des Wachturms informieren zu lassen. „Wir sind stolz auf unseren authentischen Wachturm“, so Stine Kockrick, die Vorsitzende des Geschichtsvereins, in dem schon 1999 die Idee aufkam, den Wachturm wieder aufzubauen, der den Bau des Wachturms vorangetrieben hat und dessen Mitglieder bei der Errichtung des Turms mit historischer Bautechnik auch tatkräftig angepackt hatten. Insgesamt wurden für den Turm rund 500 Tonnen Basalt und 150 Tonnen Sand verbaut. Zuletzt hatten Mitglieder des Geschichtsvereins die Fugen des Wachturms mit einer Gesamtlänge von etwa drei Kilometern in Handarbeit nachgezeichnet. „Der Limeswachturm ist ein besonderes Projekt, das von vielen Ehrenamtlichen, Förderern und Unterstützern ermöglicht wurde“, würdigte Lisa Gnadl das große Engagement beim Nachbau des Wachturms, der in der Nähe des römischen Limes errichtet wurde. Limeshains Bürgermeister Adolf Ludwig wies aber auch auf die Hindernisse hin, die bei dem Bau überwunden werden mussten: „Die Römer kannten die hessische Bauordnung noch nicht“, so Ludwig mit ironischem Unterton. Um die Sicherheit der Besucher nach den heute geltenden Vorschriften zu gewährleisten, seien Kompromisse zwischen historischer Originalität und heutigen Anforderungen nötig gewesen. So würden Besucher den Turm nicht wie zu Römerzeiten mit Leitern besteigen, sondern über eine moderne Stahltreppe, die neben dem Turm errichtet wurde. Aber auch mit diesen wenigen modernen Zugeständnissen gibt der Wachturm viele interessante Einblicke in die Römerzeit, in die damaligen Lebensgewohnheiten und natürlich in die Baukunst.
Über den Limesradweg ging es nach der Besichtigung des Wachturms zurück zum Altenstädter Bahnhof, wo die Gruppe die Radtour im Schatten der Kastanie im Biergarten des Cafés Kastell ausklingen ließ. „Die heutige Tour hat an zwei ganz unterschiedlichen Beispielen gezeigt, in welch geschichtsträchtiger Region wir leben, in der es auch für uns Einheimische immer wieder Neues zu entdecken und zu erfahren gibt“, so die Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl zum Abschluss des Ausflugs.
Die fünfte und letzte Vulkanradwegtour findet am kommenden Sonntag, den 11.8.2013, statt und startet um 14.00 Uhr vom Bahnhof Glauberg. Von dort geht es über den Vulkanradweg nach Stockheim, wo eine Führung durch den Modellbahnhof auf die Teilnehmer wartet, bevor es über Bleichenbach, Büches und Düdelsheim entlang der Keltenroute zurück nach Glauberg geht, wo die Tour im neu eröffneten Landgasthof Glauberg enden wird. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, an der Radtour teilzunehmen.